Elektor September 1987

AKTIV- SUBTRAKTIV- FILTER

Bei einem aktiven Dreiweg-System mit dem Aktiv- Subtraktiv-Filter treten im Übernahmebereich der verschiedenen Lautsprecher keine Phasenverschiebungen auf, so dass sich das Abstrahlverhalten im Vergleich mit konventionellen Lautsprecherboxen enorm verbessert. Eine ideale Frequenzweiche!

Die Referenz für Lautsprecher- Frequenzweichen

Eine aktive Frequenzweiche für Lautsprecherboxen haben wir zuletzt vor etwa dreieinhalb Jahren veröffentlicht. Das ist schon eine ganze Weile her, und trotzdem ist sie immer noch gefragt. Die Schaltung ist recht konventionell: mit einigen normalen Hoch- und Tiefpässen, mit denen unterschiedliche Frequenzgänge (Bessel, Butterworth) eingestellt werden können. Vor einigen Monaten haben wir die gleiche Schaltung noch einmal hervorgekramt, um damit ein aktives Linkwitz- Filter aufzubauen. Damit sind die Möglichkeiten dieser Standard- Schaltung allerdings erschöpft. Ein besseres Filter lässt sich nur mit einer neuen Schaltung verwirklichen. Zunächst möchten wir aber noch einmal die Schwierigkeiten aufzeigen, die bei normalen Frequenzweichen auftreten. Für ein Zweiwegsystem sind beispielsweise ein Tiefpass und ein Hochpass erforderlich. Ein Tiefpass bewirkt eine zeitliche Verzögerung des Signals, und ein Hochpass führt zu einem voreilenden Signal. Dadurch entstehen bei der Übernahmefrequenz zwischen den beiden Lautsprechern Probleme: Die erzeugten akustischen Signale heben sich teilweise auf. Das Abstrahlverhalten wird wegen der un- vermeidlichen Phasendrehung schlechter und ist außerdem frequenzabhängig. Ein ideales Filter soll dagegen keine Phasenverschiebungen erzeugen. Nur dann sind sowohl Impuls als auch Abstrahlverhalten optimal. Leider gibt es ein solches Filter nicht, und man kann es wahrscheinlich auch gar nicht verwirklichen. Mit einem Filter, bei dem Tiefpass und Hochpass im Audiofrequenzbereich dieselbe konstante Zeitverzögerung aufweisen, kommt man dem Ideal schon sehr nahe. Aber wegen der komplizierten Schaltung mit zahlreichen Operationsverstärkern wäre der Rauschabstand so schlecht, dass das Filter praktisch nicht brauchbar ist. Mit A/D- und D/A-Umsetzern und einer digitalen Verzögerungsleitung wird man allerdings in der Zukunft mehr Erfolg haben.

 

Elektor September 1987

Bild 1. Der Auf- bau eines Zeit- kompensierten Aktiv -Subtraktiv- Filters mit Tiefpässen und Allpässen. Zwei- wegweiche m Bild a. Dreiwegweiche in Bild b.

Signale werden subtrahiert



 

Bild 2. Das Abstrahlverhalten einer Lautsprecherbox wird durch das Subtraktiv -Filter stark verbessert, Bild a zeigt die Abstrahlung bei einer konventionellen Weiche. Bild b zeigt die Abstrahlung beim Subtraktiv -Filter.

Vor einigen Jahren wurde ein Artikel im Journal of the Audio Engineering Society von den Herren Lipshitz und Vanderkoy veröffentlicht, in dem sie ein Linear-Phase-Filter (theoretisch) beschrieben. Sie gingen dabei von einem Tiefpass und einem Hochpass aus, der durch denselben Tiefpass, eine Zeitverzögerung und eine Subtrahierschaltung gebildet wird. Zwar ist die Zeitverzögerung nicht über den gesamten Frequenzbereich konstant. Sie verläuft aber sehr langsam, und außerdem gibt es keine Phasenunterschiede zwischen den verschiedenen Lautsprechern auch nicht in den kritischen Übernahmebereichen. Man kann deshalb sagen, dass dieses Filter dem Ideal am nächsten kommt.

Bild l zeigt die schematischen Ausführungen solcher Filter für ein Zweiweg- und ein Dreiwegsystem. Wir müssen dazu noch anmerken, dass die Zeitverzögerung ein wesentlicher Teil dieser Schaltung ist. Es gibt nämlich auch Filter, bei denen dieser Teil fehlt. Nur kann man dann nicht mehr von konstanter Phasengleichheit zwischen den Lautsprechern reden.

Der erwähnte Artikel war für die Elektor - Entwickler Anlass genug, um ein solches Subtraktiv - Filter (so genannt, wegen des Subtrahierers in der Schaltung) praktisch zu verwirklichen. Eigentlich müsste diese Frequenzweiche ja Zeit -kompensiertes Aktiv -Subtraktiv -Filter heißen, aber das schien uns doch ein bisschen lang als Titel. Deshalb die Kurzform Aktiv -Subtraktiv -Filter. Das Resultat ist unserer Meinung nach die beste Frequenzweiche, die es gibt. Viel besser als normale Bessel-, Butterworth- oder Linkwitz-Filter. Deshalb haben wir sie im Untertitel ganz bescheiden Referenz genannt.

Zurück zu Bild 1. Ein normaler Tiefpass 4. Ordnung liefert das Signal für den unteren Audiofrequenzbereich. Der Block Zeitverzögerung (T) ist so aufgebaut, dass er denselben Phasenverlauf wie der Tiefpass hat, dar- über hinaus werden alle Audiofrequenzen durchgelassen. Wird das Tiefpass -Ausgangssignal vom verzögerten Signal subtrahiert, dann entsteht ein Hochpassverhalten mit demselben Phasenverlauf wie der Tiefpass. So werden die zuvor erwähnten Probleme im Übernahmebereich, wie sie bei konventionellen Weichen auftreten, gelöst. Addiert man die beiden Ausgangssignale, dann entsteht eine völlig gerade Linie.

Der Aufbau eines Dreiwegsystem ist etwas schwieriger, wie Bild Ib erkennen lässt. Wir können zwar das Zweiwegsystem zugrunde legen, aber für den Mitteltöner muss ein zusätzlicher Tiefpass in den zweiten Weg aufgenommen werden, damit dort ein Bandpass entsteht. Im Tieftonbereich muss die Phasendrehung mit der r2-Verzögerungsleitung kompensiert werden. Das Mittenfilter bildet zusammen mit einer weiteren r2-Verzögerungsleitung und einem Subtrahierer das Hochtöner- Signal.
Beim Dreiwegsystem muss man also daran denken, dass die rl -Schaltung die Verzögerung des Tiefenfilters und die T2-Schaltung die Verzögerung des Tiefpasses im Mittenzweig nachbilden.

Bild 2 dient zur Erläuterung des Unterschieds im Abstrahlverhalten von Lautsprechersystemen mit konventionellen Weichen und mit dem Aktiv -Subtraktiv -Filter. Beim konventionellen System in Bild 2a ist der Bereich, in dem die Lautsprecher beide Signale abstrahlen, sehr klein. Außerdem ändert sich die Abstrahlrichtung mit der Frequenz. Mit dem Linkwitz-Filter ist die Schallabstrahlung günstiger. Da zeigt die Keule für alle Frequenzen in dieselbe Richtung. Trotzdem ist das Abstrahlverhalten nicht optimal, weil es Auslöschungen im Übernahmebereich der Lautsprecher gibt. Bild 2b zeigt die Situation bei Verwendung eines Subtraktiv -Filters. Die Abstrahlkeule ist breiter und zeigt für alle Frequenzen in dieselbe Richtung. Bei diesen Überlegungen gehen wir davon aus, dass die akustischen Mittelpunkte der Lautsprecher in einer (vertikalen) Linie liegen, sonst ist die Schallabstrahlung schlechter als in Bild 2 dargestellt.

 

 

Die Ausgangssignale der drei Filterkanäle. Die Übernahmefrequenzen liegen hier bei 6 dB Amplitudendämpfung, da die Phasenverschiebung Null ist.

Signale werden verzögert

Zur Verzögerung nimmt man am besten Allpässe. Die speziellen Filter haben zwar im Vergleich zu normalen Filtern eine doppelt so große Phasendrehung. Die Verstärkung bleibt aber konstant. Da wir einen aktiven Tiefpass 4. Ordnung verwenden, setzen wir einen Allpass 2. Ordnung ein, und die Phasenverschiebungen sind nahezu gleich. Der Allpass verhält sich also praktisch genauso wie der Tiefpass in einem bestimmten Frequenzbereich, ohne aber die Signalamplitude zu dämpfen. Übrig bleibt die gewünschte Signalverzögerung.
Für diese Schaltung haben wir ein Linkwitz -Riley-Filter als Grundbaustein verwendet, weil damit ein sehr einfacher Allpass mit zwei Operationsverstärkern aufgebaut werden kann, der denselben Phasenverlauf hat, wie ein Linkwitz -Tiefpass 4. Ordnung. Bei der Schaltungsdimensionierung muss man darauf achten, dass die Übernahmefrequenzen bei 6 dB Dämpfung liegen. Das entspricht genau dem Verhalten eines normalen Linkwitz-Filters da es keine Phasenverschiebung zwischen den beiden Kanälen gibt.







Bild 3 zeigt den Frequenzgang des Aktiv -Subtraktiv -Filters. Auf den Fotos kann man außerdem noch das typische Verhalten dieser Frequenzweiche erkennen. Dargestellt sind die Ausgangssignale für Tiefen und Mitten: etwas unterhalb der Übernahmefrequenz, bei der Übernahmefrequenz und etwas darüber. Phasenverschiebungen der beiden Signale sind nicht feststellbar!

Allpässe und Tiefpässe arbeiten zusammen

Bild 4 zeigt, dass die Schaltung kaum komplizierter als eine normale aktive Dreiwegweiche ist. Operationsverstärker A1 dient als Puffer zwischen Eingangssignal und der eigentlichen Weiche. Mit Pl kann man das Eingangssignal bei Bedarf abschwächen. Die gesamte Filterverstärkung ist Eins.
Die Funktionsblöcke erkennt man auch hier leicht wieder. Der Tiefpass besteht aus A2 und A3. A6 und A7 bilden den zugehörigen Allpass. Dieser Allpass ist im Prinzip ein Bandpass (A6), dessen Dämpfung im Sperrbereich vom Verstärker A7 ausgeglichen wird. Der Tiefpass für den Mittenkanal besteht aus A8 und A9. Dazu gehören die identischen Allpässe A4/A5 im Tiefenkanal und A11/A12 im Höhenkanal. Damit ist der Tiefenkanal vollständig. Im Mittenkanal muss das Ausgangssignal von A5 vom Ausgangssignal von A9 subtrahiert werden. Das besorgt A10. Schließlich wird das Ausgangssignal von A9 vom Ausgangssignal von A12 subtrahiert. Dafür ist A13 zuständig. Dadurch entsteht das Ausgangssignal für die Höhen.




 

 

Bild 4. Die Schaltung des Aktiv - Subtrakiv -Filters. Man braucht nur wenig mehr Bauteile als für eine normale Aktiv- Dreiwegweiche.


An allen drei Ausgängen liegen Trimmpotis, so dass man die Amplituden an die Wirkungsgrade der unterschiedlichen Lautsprecher anpassen kann. Auf die Dimensionierung der frequenzbestimmenden Bauteile
kommen wir noch zu sprechen. In Bild 4 sind keine Werte dafür eingetragen, in der Stückliste finden Sie allerdings eine exemplarische Dimensionierung für die Übernahmefrequenzen 500 Hz und 5 kHz.
Das Netzteil zur Versorgung der Weiche ist relativ umfangreich. Wir sind nämlich der Meinung, dass eine hochwertige Audioschaltung ein ebenso hochwertiges Netzteil verdient, damit die Qualität richtig zur Geltung kommt. IC l ist ein integrierter Stabilisator, der eine symmetrische Betriebsspannung liefert, die von zwei Leistungstransistoren unterstützt wird. Die Dioden D5 und D6 schützen das IC vor Spannungsspitzen beim Ausschalten der Betriebsspannung.

Die Sache nimmt Gestalt an

Wie Sie es von uns gewöhnt sind, finden Sie für eine besonders gute Schaltung auch eine Platine (Bild 5). Bevor Sie allerdings zum Lötkolben greifen, müssen die Werte der frequenzbestimmenden Bauteile ermittelt werden. Das ist ganz einfach, da auch hier die Linkwitz-Formeln gelten. Für den Tiefenkanal (erste Übernahmefrequenz) ergibt sich:

C13 = C14 = C15 = C16 = C17 = C18 = 10 nF (Richtwert!)
R3 = R4 = R5 = R6 = 0,7071 / (2 * p i* f_k1 * C15)

Für den zugehörigen Allpass erhält man:

R15 = R16 = R17 = R3
C21 = C22 = C15

Dann ist das Filter im Mittenkanal (zweite Übernahmefrequenz) an der Reihe:

C23 = C24 = C25 = C26 = C27 = C28 = l nF (Richtwert!)
R23 = R24 = R25 = R26 = 0,7071 / (2 * p i* f_k2 * C25)

Dazu gehören zwei Allpässe:

R7 = R8 = R9 = R31 = R32 = R33
C19 = C20 = C29 = C30 = C25

Wie Sie sehen, haben wir an verschiedenen Stellen Kondensatoren parallel- und Widerstände in Reihe geschaltet, so dass man so oft wie möglich dieselben Werte nehmen kann. So sitzen an den Stellen genau doppelten Werte, damit die Verhältnisse stimmen, also C13 + C14 ist doppelt so groß wie C15, R16 + R17 ist doppelt so groß wie R15 und so weiter.
Natürlich müssen die Werte sehr genau sein, sonst funktioniert die Weiche nicht optimal. In der Praxis hat sich gezeigt, dass man 1-%-Widerstände und 2,5-%-Kondensatoren braucht. Dabei sind die absoluten Werte nicht so wichtig, wenn nur die Werte gleich sind, die gleich sein müssen. Man kann also beispielsweise alle 10-k-Widerstände durch 11,657-k-Widerstände ersetzen, wenn sie nur genau gleich sind. Das gilt für alle Teilfilter in der Weiche, auch für die Allpässe. Ist der berechnete Wert nicht erhältlich, dann wird der nächstliegende genommen. Kondensatoren mit kleiner Toleranz sind nicht nur schwer erhältlich sondern auch teuer. Falls Sie jedoch das Letzte aus der Frequenzweiche herausholen wollen, dann müssen schon 1-%-Typen her. Wer ein Kapazitätsmessgerät hat, kommt preiswerter davon. Er misst einfach so lange, bis entsprechend viele Kondensatoren mit dem gleichen Wert gefunden sind.



Bild 6. Diese Schaltung kann man beim Ausmessen der Kondensatoren zu Hilfe nehmen.

Wer kein Kapazitätsmeter besitzt, kann die Schaltung in Bild 6 zu Hilfe nehmen. Dazu braucht man einen kleinen Netztrafo mit einer Sekundärspannung von 3 bis 20 V. Über einen Widerstand von l,5/(100*π*C) wird der zu messende Kondensator angeschlossen. Mit einem digitalen Wechselspannungsvoltmeter kann man die Spannung über dem Kondensator messen. Für alle anderen Kondensatoren darf die gemessene Spannung nicht mehr als 1% von der zuerst gemessenen Spannung abweichen. Bei der Messung sollte man darauf achten, dass die Netzspannung stabil ist, also nicht bei laufenden Großverbrauchern, wie Waschmaschine, Spülmaschine oder Trockner, messen. Schließlich kann die Platine bestückt werden. Für die Trimmpotis nimmt man am besten Cermet- Typen. Die OpAmps sind beliebig austauschbar. Die angegebenen Typen TL071 und TL072 sind preiswert und gut erhältlich. Rauschärmer wird's mit den Pin-kompatiblen Typen NE5543/NE5532, LF356/LF353 und OP15/OP215.
 


 

 


Praktische Tips sind immer nützlich

Jede Platine enthält ein eigenes Netzteil. Das ist praktisch, wenn die Weiche in die Box mit eingebaut wird. Kommt aber alles zusammen in ein Gehäuse, dann kann ein Netzteil entfallen (C1O und C12 aber einsetzen!). Die Betriebsspannung für die "leere" Platine wird über zwei Leitungen mit der anderen Platine verbunden (Plus-Anschlüsse von C1O verbinden, danach das gleiche mit den Minus-Anschlüssen von C12). Die Ausgänge haben (abhängig von der Stellung der Trimmpotis) einen maximalen Widerstand von 12 k. Falls dieser Wert für Ihre Endstufen zu hoch sein sollte, können die Trimmpoti -Werte auf 5 k verringert werden. Dann beträgt der Ausgangswiderstand maximal 2,5 k. C31 muss in diesem Fall auf 4μ7 vergrößert werden. Denken Sie bitte an die Faustformel: Eingangswiderstand der Endstufe größer oder gleich 10 mal Ausgangswiderstand der Weiche.

Man kann das Filter selbstverständlich auch als Zweiwegweiche aufbauen. Dann entfallen folgende Bauteile: IC2, IC5, IC6, R7... R R23...R26 , R31...R41, C19, C20, C23.. .C30, C33 und P4. Außerdem müssen auf der Platine eine Drahtbrücke von Anschluss 1 von A3 nach C31 und eine weitere Drahtbrücke von Anschluss 7 von A7 nach C32 gelegt werden.
Die Wahl der Lautsprecher ist nicht ganz unwichtig. Im Prinzip muss jeder Lautsprecher 1 Oktave mehr als der Durchlassbereich des Filters abstrahlen können. Dann funktioniert die Weiche optimal. Wichtig ist natürlich auch, dass die akustischen Mittelpunkte der Lautsprecher in einer vertikalen Linie liegen (Vorderseite der Kalotte im Lautsprecher als Richtschnur nehmen). Wird diese Vorschrift nicht eingehalten, dann hat die Anwendung des Aktiv -Subtraktiv -Filters keinen Sinn. Man kann das Problem zwar mit Allpässen lösen, die mechanische Lösung führt jedoch zu besseren Ergebnissen und braucht weniger Bauteile.

Elektor September 1987